Herr der Lüfte

Breite, brettartige Flügel spannen sich weit über zwei Meter, der kurze keilförmige Schwanz leuchtet weiß. So kreist der König der Lüfte, den gelben Schnabel seiner Beute zugewandt, über Seen und Auen oder lauert stundenlang auf seinem Posten. Karpfen, Blässhühner, im Winter auch gerne Aas. Daraus bestehen die Leckerbissen, auf welche der Nachwuchs ungeduldig wartet. Offenbar nicht vergebens. 122 Jungvögel haben in Schleswig-Holstein diesen Sommer heil überstanden. Die Seeadler fühlen sich wohl hierzulande. 15 Paare nisten allein im Kieler Umland – zwischen der Probstei, dem Klosterforst Preetz und dem Bothkamper See. Der Mensch scheint sein größter Feind und Retter zugleich. Mitte des 18. Jahrhunderts gab es drei bis fünf Taler Kopfgeld für jeden Aar, erzählen die Annalen. So sehr verhasst war der Greifer, der mit den Jägern konkurrierte. Vor allem der Adel schmückte sich mit Abschussquoten, bis die Art vor 100 Jahren fast vom Himmel verschwand. 60 Jahre später wurde dem Riesengreifer erneut sein Mythos zum Verhängnis, durch Eiersammler und Neugierige, die seine 300-Meter-Flucht-Distanz unterschritten. Viele Vögel vergifteten sich zudem an der Chemie in die Nahrungskette und an dem Blei aus Schrotkugeln im Aas. Auch Bahngleise, Hochspannungsleitungen und Windkraftanlagen trugen zum Rückgang bei. Nur vier Paare verblieben in Schleswig-Holstein Mitte der 60 Jahre. Vogelschützer bewachten deren kostbare Brut rund um die Uhr aus getarnten Wohnwagen mit starken Spektiven. Stachelkränze an Horstbäumen und Drähte am Boden halfen ebenfalls, Eierdiebe und Trophäenjäger abzuhalten. Erst zehn Jahre ist es her, dass die Polizei einen 60jährigen Sammler fasste, der ins Gefängnis kam – ohne Bewährung. Zum Glück ist seit der Gründung eines Schutzprogramms 1968 das Problembewusstsein gewachsen. Und der Bestand nahm wieder zu. Ab 1990 brüteten die Seeadler erstmals auch im Bothkamper Wald. Das Weibchen war laut Beringung vier Jahre zuvor in Kletkamp geschlüpft. Im Jahr 2000 nahmen die Vogelschützer weitere Arten unter ihre Fittiche. Zum Beispiel den Fischadler. Nach 130 Jahren Pause brütet seit drei Jahren erstmals wieder ein Paar zwischen Mölln und Ratzeburg. Der scheue Schwarzstorch bringt es inzwischen auf fünf Paare, die sich im Wald versteckt halten. Besser erholt haben sich die Kraniche, die sich im Herbst gerne am Sehlendorfer Binnensee bei Hohwacht versammeln. Seit es dem Seeadler im Lande wieder besser geht, ändern sich die Betätigungsfelder der Schützer. An vielen Horsten kümmern sich rund 80 Vorortbetreuer zwei bis dreimal wöchentlich um die in einer Dauerehe lebenden Brutpaare. Dazu kommen rund 160 Mitarbeiter, die sich in den Wohnwagen abwechseln. Auch die Öffentlichkeitsarbeit gehört zu den Aufgaben. Wer einmal einen Seeadler auf freier Wildbahn beobachten möchte, darf dies durch die Fernrohre einiger Beobachtungstationen tun, zum Beispiel von der Aussichtsplattform an der Pohnsdorfer Stauung bei Preetz. Über hundert Brutpaare schweben heute übers Land. Teile Ostholsteins, Lauenburgs und fast der ganze Kreis Plön gelten als dicht besiedelt. Welch ein Erfolg für die Projektgruppe Seeadlerschutz, der die Staatssekretärin Anke Erdmann in Plön jetzt zum 50. Geburtstag gratulierte. Dabei betonte sie den Vorbildcharakter der starken Truppe, in der Naturschutzverbände, das Umweltministerium und die Landesforsten zusammenstehen. Es ist auch der Erfolg vieler einzelner Bürger, die sich unermüdlich für den Adler einsetzen. Wie Vorstandsmitglied Günter Kalin, der seit 40 Jahren einen Teil seines Urlaubs opfert, um am Wohnwagen zu wachen. Jedes Jahr eine Woche. „Zusammen ein Jahr meines Lebens“, erzählt der Pensionär aus Postfeld. Er macht es gerne. Wer seinem Beispiel folgen möchte, findet Kontakt auf der Internetseite www.projektgruppeseeadlerschutz.de. Auch jede Spende hilft (IBAN DE15 2105 0170 1000 2708 74). Jutta Ehmsen

Bild: Geduldig lauert der Seeadler auf Beute. Foto Menke

Bild: In der Projektgruppe Seeadlerschutz aktiv: Günter Kalin. Foto Böttcher

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